Bonnie & Olli

Wutz hat sich nicht getraut. Um Punkt halb acht stand er vor unserer Haustür mit einem Mini, mit dabei Ka-Ulf, der sich sehr freute, dass er hinten sitzen durfte, weil Sina mit ihrer Monsterschiene den Platz vorn einnahm. Das wurde sehr gemütlich. Vielleicht wäre der Volvo doch besser gewesen, aber dann hätte Wutz nicht an jeder Ampel Rennen mit den Fahrern auf der Nebenspur spielen, selbst bei der Autobahnauffahrt noch ein Auto rechts auf dem Seitenstreifen überholen und uns bei strömenden Regen das Schiebedach demonstrieren können. Alles in allem kamen wir 45 Minuten später an der Fabrik an und suchten ein Plätzchen an der Seite, damit das Krückenkind nicht die ganze Zeit stehen musste. Zuerst machte ein Mensch, dessen Namen ich leider nicht mitbekommen habe, eine One-man-show auf seiner Gitarre und schrammelte, was das Zeug hielt. Einer neben uns vergrub seinen Kopf und hielt sich die Ohren zu. Sah alles in allem ziemlich leidend aus – aber so schlimm war’s nun auch wieder nicht...
Und da sah ich ihn auf einmal direkt vor uns, in voller Größe, das Haar fast gekämmt, das Profil unverkennbar: Olli Schulz ohne Hund!
Sina hat zwangsläufig die ganze Zeit mit ihm gefüßelt, weil sie das Bein aufgrund der Monsterschiene nicht einziehen konnte. Wir wollten dieses Wunder kaum glauben und saßen da wie gebannt. Wie hätte ich doch gerne etwas zu ihm gesagt, aber wie das dann so ist, man traut sich nicht... auch später nicht, als er hinten im Licht stand, als ich nach exzessiven Bionade Holunder und Malzbierkonsum dringend mal pullern musste.
Aber lächeln, das darf man immer, und er lächelte zurück und wusste wahrscheinlich mehr als ich.
Hach ja, supi, schon wieder 267 Wörter für das Vorgeplänkel verschwendet. Das wären nun schon wieder über 58 Zeilen à 30 Anschläge, womit man beim ST (Insider wissen, welches Blatt gemeint ist) schon wieder eine kritische Marke erreicht hätte – aber hallelujah, hier sind wir frei. Nein, wie tut das gut...
Bonnie Prince Billy sieht aus, als hätte er kein Alter. Er hat wuschelige blonde Haare eine halbe Glatze und ein löcheriges T-Shirt und auch sonst scheint das Drumherum alles nicht so wichtig zu sein.

Ich sage es gleich zuerst, denn ich kann es sonst nicht mehr aushalten: Das Konzert war ein Kracher, ganz großes Kino, eine Offenbarung, ein wahres Erlebnis, das Berührendste, was ich seit langem gesehen und gehört habe (...und das will etwas heißen). Drei Gitarren, ein Bassist, ein Schlagzeuger und ein Keyboardmensch haben kongenial zu Will Oldhams Gesang eine so dichte Atmosphäre geschaffen, dass man manchmal nur dastehen, staunen und ein bisschen weinen konnte. Töne waren keine Töne mehr, das kleine Pling einer Gitarre hier, ein Klangtupfer dort, gingen hinein in das Ohr, durch den ganzen Körper und hinterließen ein inneres Leuchten, das den ganzen Abend nicht weniger zu werden schien. „I see a darkness“ (naja, nicht wirklich), ganz anders interpretiert, als wir es von ihm kennen, aber nicht minder intensiv (Johnny hat es sicherlich auch gehört), selbst die Stücke von „Superwolf“ bekamen ganz neue Nuancen hinzu. Wo es auf der Platte eher ruhig zugeht, wurde hier teilweise richtig gerockt. Das Stück „Bed is for sleeping“, auf das ich den ganzen Abend sehnlichst wartete (ich ahnte, sie würden alles spielen, nur das nicht), kam ganz zum Schluss und war einfach so ganz und gar wunderbar, dass man danach glücklich und dankbar nach Hause fahren konnte.
Selten im Leben waren zwanzig Euro zweiundachtzig so gut angelegt worden.
Knalltüte - 15. Aug, 16:23